Donnerstag, 24. September 2015

Es wird eng für Olaf Scholz

Lange hat Olaf Scholz Vattenfall und damit auch seinem persönlichen Prestigeprojekt die Treue gehalten. Er setzte sich sogar der Tatsache aus, wortbrüchig zu werden. Trotz seines verlorenen Volksentscheids (zur Erinnerung: die HamburgerInnen haben mit JA gestimmt) hat er lange versucht, die Niederlage zu ignorieren. Das erinnert an einen SPD-ex Bundeskanzler, der auch (s)eine Niederlange lange nicht anerkennen wollte. Ok, nicht verwunderlich, schließlich waren sich Scholz und Schröder auch sonst in vielen Dingen einig.

Aber jetzt muß Schluß sein.
Jetzt darf es nicht mehr um die persönliche Eitelkeit eines Mannes gehen, der noch vor einigen Jahren stolz darauf war, daß er es wäre, der das gigantische KoKW Moorburg einweihen dürfe.
Und auch wenn Kohlaf sich innerlich diesem "ingenieurgetriebenem Meisterstück" (O-Ton Scholz) sicherlich immer noch verbunden fühlt, so ist er doch auch genug Machtmensch, um den innerparteilichen Konflikt mit den fortschrittlichen Genossen nicht auf die Spitze zu treiben, die ihm schon beim Volksentscheid nicht gefolgt sind. Und verzichtet daher nach Auskunft der Senatspressestelle auf eine Kommentierung der erfolgten Inbetriebnahme.
Dieser Verzicht fiel ihm sicherlich auch deshalb leicht, weil er doch erwarten konnte, ein anderes großes Vattenfall Kraftwerk einweihen zu können. Nicht ganz so groß, aber dafür mit diesem gewissen Hauch an "Innovation", der auch bei der kohlekritischen Bevölkerung anzukommen versprach.
Und auch wenn Genosse Olafs Euphorie spätestens mit dem Volksentscheid einen herben Dämpfer erlitten hatte (schließlich hatte er das zu bauende Vattenfall Gaskraftwerk in Wedel zum Herzensstück seines Modells der "Rekommunalisierung light" erklärt), so versuchte er doch noch zu retten, was "groß, stark und mächtig" ist und deshalb eben gut zum GröBaZ paßt. Ein Gutachten, von der treuen Vasallin Blankau in der BSU in Auftrag gegeben und von einem von der BSU handverlesenen (und alleine in 2014 mit Aufträgen i.H.v. 220.000 Euro versehen) Gutachter erstellt, sollte das geplante GuD als weiterhin beste Möglichkeit für die Nachfolge des KoKW Wedel darstellen.

Dumm nur für Olaf Scholz, daß die NGOs, die den Volksentscheid initiiert und durchgeführt hatten, auch noch nach dem gewonnenen Wahltag ein Interesse an der Hamburger Energie zeigten. Und von dem Gutachtenauftrag erfuhren und durch sanften Druck dafür sorgten, mit am Tisch zu sitzen. So wurde den Gutachtern von BET auch schnell klar, daß sie hier kein legeres Auftragsgutachten würden abliefern können, wollte BET nicht seinen guten Ruf verspielen. Denn mit den NGOs saßen auf einmal nicht wie üblich nur überarbeitete PolitkerInnen oder gelangweilte Beamte in ungewollten Nachmittagsrunden mit am Tisch, sondern motivierte unabhängige Experten, die sich teils schon seit Jahren mit der Hamburger Fernwärme beschäftigt hatten. Und daher Dinge über die HHer Ferwärme wissen, die BET erst lernen mußte. Eine Rolle, die BET in den beiden Sitzungen in 2014 sichtbar ungewohnt war. Aber BET lernte und arbeitete sich immer mehr in die Materie ein und wurde dann rund um den Jahreswechsel auch vom Ehrgeiz gepackt, etwas substantielles abzuliefern und so den eigenen Ruf zu bewahren.Sicherlich trug zum Ehrgeiz auch bei, daß im Februar 2015 Wahlen waren und seitdem einer der schärfsten Kritiker des ursprünglichen Auftraggebers auf einmal als Senator zum selbigen wurde.

Seit Ende August liegt das Gutachten nun also auf dem Tisch der inzwischen in BUE unbenannten Behörde ... und gewiß auch auf dem Nachttischchen des Herrn Bürgermeisters. Und würde da wahrscheinlich immer noch liegen oder in eine Schublade rutschen, bis es vergessen würde ... wenn es nicht auch den NGOs als Beteiligte vorläge, die durchaus interessant finden, was das von Olaf Scholz beauftragte Gutachten sagt. Es sagt nämlich: Olaf Scholz, laß mal besser stecken.
Ok, diese Sprache verwendet das Gutachten nicht. Aber für ein Gutachten spricht es sich doch in einer seltenen Eindeutigkeit gegen das aus, was der Auftraggeber eigentlich hätte lesen wollen.

Um es ganz kurz zu machen nochmal die Ausgangslage, unter der das Gutachten 2014 vergeben wurde:
BSU sagt: GuD ist alternativlos.
BSU sagt: Wenn nicht alternativlos, dann aber die beste (worin auch immer) Lösung, von daher wieder alternativlos.
BSU sagt: Standort Wedel ist alternativlos, weil dieser in der Erschließung bis zu 100 Millionen günstiger als die mögliche Alternative Stellingen
BSU sagt: Erneuerbare Wärme und industrielle Abwärme spielen keine Rolle in der HH Fernwärme.

Im nun erarbeiteten Gutachten steht:
BET: GUD ist nicht alternativlos
BET: GuD ist nicht die beste Lösung
BET: GuD ist wirtschaftlich höchst riskant
BET: Gasmotoren sind flexibler als ein GuD und daher besser für die Energiewende
BET: Industrielle Abwärme ist eine bevorzugte Lösung
BET: EE-Wärme ist möglich
BET: Stellingen kostet maximal 25 Millionen mehr als Standort im Vergleich zu Wedel; Steuererlöse für Hamburg nicht eingerechnet

usw.

Pro-Argumente für das GuD: läßt man mal die Höflichkeitsfloskeln außer acht, die BET seinem Auftraggeber schuldig war, dann steht da: null.

Dabei gibt es ein Argument. Das ist aber nicht technisch, sondern eher menschlich, wie es ZEIT-Redakteur Drieschner ausdrückt:
Natürlich, jeder darf mal träumen. Ein neues Elektrizitätskraftwerk, das ist ein Höhepunkt im Leben jedes Umweltpolitikers Bürgermeisters, eine Chance, wie sie nur alle paar Jahrzehnte einmal kommt. Hunderte von Millionen Euro wollen ausgegeben werden, eine einzige Entscheidung prägt für Jahrzehnte die Energieversorgung der Stadt. 

Also die 2. Elbphilharmonie des Olaf Scholz?

Muß das sein? Braucht das Hamburg?

Wir sagen: nein.
Und sind damit nicht allein:
http://www.abendblatt.de/hamburg/article205785437/Umweltschuetzer-fordern-Kein-neues-Kraftwerk-in-Wedel.html
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Hamburger-koennten-mit-Industrie-Abwaerme-heizen,wedel214.html
http://hamburg1.de/nachrichten/26191/Industrie_Abwaerme_statt_Gaskraftwerk.html
http://www.pressreader.com/germany/hamburger-morgenpost/20150923/281732678284619/TextView

Ende dieses Jahres trifft der Aufsichtsrat der VWH die Entscheidung, ob das GuD gebaut werden soll oder nicht. Die politischen Vertreter in dem Gremium haben eine Sperrminorität. Seit Februar regiert in HH nicht mehr nur die SPD, sondern auch die Grünen. Deren VertreterInnen im Senat fällt nun also die Aufgabe zu, den Allmachtsphantasien des Olaf Scholz zumindest in Sachen Gaskraftwerk Einhalt zu gebieten (bei Olympia lief das ja eher suboptimal).

Die Argumente haben die Grünen mit dem Gutachten nun auf ihrer Seite. Vielleicht reicht es ja, wenn sie es Olaf Scholz mal zu lesen geben. Wenn er ordentlich regieren will, sollte er das tun.

Montag, 7. September 2015

Tschüss Vattenfall aktueller denn je

Gernot Krampler vom STERN sagt nun auch "Tschüss Vattenfall". Und bedauert, dies nicht schon längst getan zu haben.
Aber Gernot, wo bist Du denn die letzten Jahre über gewesen? Immerhin informieren seit Jahren viele Menschen in Hamburg darüber, daß "Tschüss Vattenfall" die Maßnahme der Wahl ist.