Dienstag, 26. Juli 2011

keine gute Idee: beim Vorangehen nach hinten blicken

"Neue "Welt"-Serie: So ändert sich die Energieversorgung in Hamburg - Welche Auswirkungen der schrittweise Übergang zu Windkraft und Co. für die Hansestadt hat."

Leider schwankt der Artikel zwischen Bemühen einerseits und dilettantischer Recherche und falschen Schlußfolgerungen andererseits. Schlecht gelaunte Zeitgenossen könnten sogar zu der Annahme kommen, der ganze Artikel sei eine getarnte Propaganda für das im Bau befindliche KoKW Moorburg.Vor allem behindert sich der Autor Herr Kopp aber selber dadurch, daß er auf dem Weg zur Energiewende nur nach hinten blickt.

Vorweg:
der Artikel krankt grundsätzlich an einer veralteten Annahme: Hamburg ist keine Energie-Insel. Bis ca. Mitte der 1990er Jahre dachte man im Strommarkt regional, d.h. Erzeugung und Nachfrage sollten geographisch dicht beisammen liegen. Damals gab es auch noch regional unterschiedliche Strommärkte mit unterschiedlichen Preisstrukturen. Dann kam die europaweite Liberalisierung des Strommarktes.

Kopp schreibt im letzten Drittel seines Artikels:
Dazu bedarf es einer weiteren riesigen Energieerzeugungsanlage. Die steht in Moorburg. Das Kohlekraftwerk, das dort gebaut wird, hat eine Leistung von 1640 Megawatt, also ungefähr zweimal so viel wie das Atomkraftwerk Brunsbüttel. Es wird in der Lage sein, 80 Prozent des Strombedarfs der Stadt zu decken.
Kurz gesagt: zu sagen Hamburg brauche das KoKW Moorburg, um „seinen“ Energiebedarf zu decken, ist quatsch. Hamburg bezieht seinen Strom aus dem europaweiten Stromnetz. Wenn nämlich Hamburg heute noch eine regionale Energieversorgung hätte, dann ist doch verwunderlich, daß es keinerlei Einbußen gibt, obwohl mit Brunsbüttel und Krümmel die lt. Artikel eigentlich tragenden Säulen der Hamburger Energie-Versorgung seit Jahren nicht zur Verfügung stehen und das KoKW Moorburg wenn überhaupt erst mit einigen Jahren Verspätung ans Netz gehen wird. Der Autor Kopp schreibt denn auch richtig an anderer Stelle für das Jahr 2009:
Knapp 80 Prozent des Hamburger Strombedarfs werden von außerhalb der Stadt bedient, und ein Großteil der Energie kommt derzeit von dem Atomkraftwerk in Brokdorf.

Was dann ein KoKW Moorburg direkt mit der Stromversorgung Hamburgs zu tun hat, erschließt sich dem aufgeklärten LeserIn nicht. Daß dieses reine greenwashing Argument „Moorburg sei das Kraftwerk Hamburgs“ seitens der KoKW Moorburg Betreiber und auch der Befürworter daher gerade in einem Artikel, der sich nach Eigenaussage mit der Energieversorgung Hamburgs beschäftigt, nicht nur nicht widerlegt, sondern auch noch nachgeplappert wird, ist nicht nur bedauerlich, sondern geradezu ärgerlich – und disqualifiziert diesen an sich ehrenwerten Versuch leider auf der fachlichen Ebene.

Dazu kommen noch einige andere Patzer, von denen ich nur einige Exemplare nennen möchte:

Egal, wie es kommt, schon jetzt ist absehbar, dass die erneuerbaren Energien in Hamburg niemals genug Strom liefern können, um die ganze Stadt zu versorgen.


Woher weiß der Autor das? Niemand hat vor einigen Monaten in Deutschland gewußt, daß wir heute tatsächlich die Energiewende eingeläutet haben, und jetzt weiß Herr Kopp aber, daß die erneuerbaren Energien in Hamburg niemals ausreichen werden? Erstaunlich … und nicht haltbar. So weiß man z.B. heute noch überhaupt nicht, welche Potentiale Geothermie für Hamburg haben könnte.
Deshalb ist der folgende Satz von Herrn Kopp ebenfalls unsinnig:
Auch nach der Energiewende wird Hamburgs Strombedarf von außen gedeckt werden müssen.
Nein, nicht müssen, sondern können! Das Grundprinzip der Energiewende besteht aus Dezentralität und Ausgleich. Dort, wo wenig erneuerbare Energie erzeugt wird, muß mehr erneuerbare Energie hintransportiert werden. Und glücklicherweise liegt Hamburg in unmittelbarer Nachbarschaft von Schleswig-Holstein, das in Zukunft einen Überschuß an Energie produzieren wird, der in Hamburg abgenommen werden kann. Für die windarmen Tage arbeitet man mit Regelenergie z.B. aus BHKWs, Biomasse-, Gaskraftwerken, etc. Ein solches Szenario zu recherchieren (das der SRU bereits 2009 entworfen hat), wäre übrigens ein schöner Punkt dieses Artikels gewesen.
Ein solches Szenario macht auch deutlich, daß die einzelnen Zahlen für in Hamburg installierte Anlagen keinerlei Aussagewert für die (jetzige und künftige) Energieversorgung haben. Sie können höchstens Ausdruck des politischen Willens sein, auch vor Ort in Hamburg für einen Ausbau der regenerativen Energien zu sorgen. Und leider zeigen die aktuellen Zahlen für Hamburg, daß hier (positiv ausgedrückt) noch sehr viel Potential herrscht – in der Umwelthauptstadt Europas.
Nicht zu unterschätzen ist allerdings die Leistung von Biomassekraftwerken, von denen es 19 kleinere in Hamburg gibt. Ein großes mit einer Leistung von 17 Megawatt Fernwärme und fünf Megawatt Strom wird derzeit von Vattenfall am Haferweg gebaut. Die Biomassekraftwerke lieferten im vergangenen Jahr 176 000 Megawattstunden Strom. Ihr Anteil an den erneuerbaren Energien in Hamburg liegt damit bei 70 Prozent. Biomassekraftwerke leben von der thermischen Verwertung natürlich nachwachsender Rohstoffe. Hamburg ist eine grüne Stadt und produziert relativ viel Biomüll, doch für ein auf Stromerzeugung ausgelegtes Kraftwerk wie das am Haferweg bei Weitem nicht genug. Die Anlage braucht 76 000 Tonnen Holzhackschnitzel pro Jahr. Betreiber Vattenfall ist gezwungen, die Biomasse aus einem Umkreis von 100 Kilometern um die Stadt zusammenzukaufen. Das mindert die Öko-Effizienz.
Was Herr Kopp zum Thema Biomasse schreibt, ist grundsätzlich richtig. Leider disqualifiziert er sich wieder selber mit einem allzu platten Pauschalurteil:
Geradezu ökologisch unsinnig ist, was in Berlin passiert. Dort hat die Bevölkerung Vattenfall den Bau eines Kohlekraftwerks untersagt. Stattdessen wurde ein Biomassekraftwerk gefordert. Die Hölzer zur Verfeuerung lässt Vattenfall per Schiff aus Liberia kommen. Damit ist auch diese Lösung schnell ausgereizt. Obgleich auch Hamburg Energie derzeit über den Bau eines acht Megawatt starken Biomassekraftwerks verhandelt.
Das würde suggerieren, daß die Gegner des Berliner KoKWs Vattenfall gleichzeitig vorgeschrieben hätten, für das alternative Biomasse-Kraftwerk das Holz aus Liberia zu importieren. Das ist aber nicht der Fall, sondern Vattenfall hat sich (nach meinem Kenntnisstand) aus ökonomischen Gründen für diesen Lieferweg und nicht für eine regionale Lösung entschieden. Und nur mal am Rande: der Autor dieses Kommentars ist weit davon entfernt, Vattenfall freundlich zu sein – trotzdem würde selbst ich mir anders als Herr Kopp erst nach fundierten Recherchen anmaßen, den Import von Totholz (Eigenaussage von Vattenfall) pauschal zu kritisieren.
Übrigens wäre es an dieser Stelle von Herrn Kopp schön gewesen, neben dem geplanten Vattenfall Kraftwerk am Haferkampsweg auf ein Hamburger Projekt hinzuweisen, daß deutschlandweit z.Zt. einmalig ist. Nämlich das Projekt eines Energiebunkers in Altona als Biomassekraftwerk in Bürgerhand mit 3-4 MW Leistung, genossenschaftlich betrieben. So sieht nämlich die Energiewende auch aus: Energie in und aus Bürgerhand, was gleichzeitig die Herrschaft der Energiekonzerne bricht. Mit ein wenig Rechercheaufwand läßt sich das Projekt detailliert und fundiert im Internet finden und nachlesen.


Kommen wir zurück zum Artikel von Herrn Kopp:


Damit ist klar: Alle drei Erzeugungswege - Biomasse, Solaranlagen und Windkraft - können nur in begrenztem Maße in Hamburg ausgebaut werden und sind allein nie in der Lage, die Stadt mit der nötigen Energie zu versorgen.
Interessant, daß Herr Kopp Erzeugungswege wie Biogas und Geothermie gar nicht erwähnt. Der Grund erschließt sich mir nicht.



Dazu bedarf es einer weiteren riesigen Energieerzeugungsanlage. Die steht in Moorburg. Das Kohlekraftwerk, das dort gebaut wird, hat eine Leistung von 1640 Megawatt, also ungefähr zweimal so viel wie das Atomkraftwerk Brunsbüttel. Es wird in der Lage sein, 80 Prozent des Strombedarfs der Stadt zu decken.



Zu diesem „Argument“ habe ich ja direkt am Anfang etwas geschrieben. Aber jetzt läuft die Argumentation seitens Herr Kopp leider völlig aus dem Ruder:



Moorburg hat Vorteile und Nachteile. Sein größter Vorteil ist, dass das Kraftwerk mitten in der Stadt steht.
Aha. Fragen Sie, Herr Kopp, doch bitte mal die Wilhelmsburger Ärzteschaft, was die von dem „Standort mitten in der Stadt“ halten. Ich gebe Ihnen vorab schon mal ein paar Infos mit auf dem Weg: Der Verein „Wilhelmsburger Ärzteschaft“ warnt: Moorburg wird laut Planungen einen zusätzlichen Ausstoß von ca. 400 Tonnen Feinstaub verursachen: das sind ca 200 Gramm für jeden Bürger Hamburgs + Umland! "Ein Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Atemwegserkrankungen wird von niemand angezweifelt", so die Ärzteschaft. Dazu kommen 8 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) jährlich zusätzlich aus dem KoKW. Zitat Wilhelmsburger Ärzteschaft:
Leider sind es gerade kinderreiche Stadteile wie Wilhelmsburg, Veddel, Rothenburgsort, Billstedt, die gesundheitsschädigenden Umweltfaktoren in besonderer Weise ausgesetzt sind.

Ok, dann Schreibt Herr Kopp weiter:

Die Zeit der Abhängigkeit von Versorgungsleitungen aus dem Umland sind vorbei.
Auch völliger Quatsch. Herr Kopp selber schreibt zwei Zeilen weiter:
Also kann Moorburg nur eine Übergangslösung sein. Für zehn, vielleicht 20 Jahre.
Und was kommt also danach? Genau, eine dezentrale Stromversorgung auch aus dem Umland. Die Übertragungsnetze müssen also ausgebaut werden.
Weiter Kopp:

Zudem liefert Moorburg nicht nur Strom, sondern auch Fernwärme für 400 000 Haushalte.
1. Fehler: Vattenfall liefert heute durch die KoKW Tiefstack und Wedel an ca. 400.000 Haushalte Fernwärme. Die Fernwärme aus dem KoKW Moorburg soll das Fernwärme-KoKW Wedel ersetzen, das heute ca. 180.000 Haushalte beliefert. Da hat Herr Kopp also leider etwas bei den Zahlen verdreht.
2. Fehler: Die Fernwärmeleitung gibt es noch nicht und wird voraussichtlich auch nicht mehr genehmigt werden. Damit fällt die Fernwärme aus dem KoKW Moorburg weg.
Kopp; 
Auf der anderen Seite stößt es trotz eines respektablen Wirkungsgrads von 46,5 Prozent acht Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich in die Luft.

Nun ja, 46,5% halten nur die skrupellosen Befürworter eines KoKW für „respektabel“. Zum Vergleich: die kleinen Haus-BHKWs, die Herr Kopp auch erwähnt, haben in der Regel einen Wirkungsgrad von 92%.
Wieder Kopp:
Für das Klima ist das schädlich, und zur Energiewende trägt das Kohlekraftwerk auch nicht bei, da diese ja den kompletten Wechsel zu regenerativen Energieanlagen vorsieht. Also kann Moorburg nur eine Übergangslösung sein. Für zehn, vielleicht 20 Jahre.
Der Sinn eines Betriebs eines neuen KoKWs für 10-20 Jahre erschließt sich weder mir noch (davon bin ich überzeugt) den Herren von Vattenfall. Hier wäre ich an einer Gesprächsrunde mit Herrn Kopp und Herrn Wasmuth sehr interessiert, wo Herr Kopp Vattenfall auf die Begrenzung von Moorburg auf 10 Jahre einschwört … (nicht, daß selbst 10 Jahre zu lang und ökonomisch und ökologisch unsinnig sind, aber interessieren würde es mich schon).
Überhaupt ist es sehr lustig, daß Herr Kopp sich ausgerechnet den Hamburger Vattenfall Chef als Stichwortgeber für seinen Artikel ausgesucht hat, also den Mann, der qua seines Amtes genau NICHT für die Energiewende in Hamburg stehen kann, sondern aus Sicht von Vattenfall (sogar nachvollziehbar) alles (vattenfall)mögliche GEGEN die Energiewende tun muß, damit seine überkommenen Kraftwerke wie Wedel, Tiefstack, Brokdorf und (vielleicht) Moorburg so lange wie möglich noch laufen!
Innovativ von Herrn Kopp wäre es gewesen, z.B. Wissenschaftler an den Lehrstühlen von HCU und HAW zu befragen, die sich tatsächlich mit dem Umbau der HH Energieversorgung beschäftigen ... oder Herrn Hohmeyer von der Uni Flensburg um Mitglied im SRU. Oder mindestens, wenn schon Wasmuth zu Wort kommt, dann auch die Vertreter der Umweltschutzverbände mit ihren Szenarien zu Wort kommen lassen.



Ich möchte zum Ende kommen …
Niemand hat gesagt, dass die Energiewende billig ist - aber sie ist zu schaffen.

Erstaunt bin ich, daß Herr Kopp tatsächlich mit solch einer „offenen“ Aussage endet. Denn anders als die meisten Punkte in seinem Artikel ist diese Aussage tatsächlich zutreffend. Denn
  1. ja, die Energiewende ist zu schaffen
  2. ja, sie ist nicht billig, denn sie ist es wert.

Wichtig ist nur, auf die Details zu gucken:
und dann müßte es heißen:
ja, die Energiewende ist zu schaffen, auch trotz eines KoKW Moorburg.
In dem Sinne, Herr Kopp, sehen Sie bitte meine Kritik als Ansporn, und ich freue mich auf die weiteren Artikel der
Neue "Welt"-Serie: So ändert sich die Energieversorgung in Hamburg - Welche Auswirkungen der schrittweise Übergang zu Windkraft und Co. für die Hansestadt hat.

Montag, 25. Juli 2011

Was haben das Schanzenfest und die Cyclassics gemeinsam?

Beide Ereignisse lösen einen Großeinsatz der Polizei aus:
Neben den erwarteten Ausschreitungen am Rande des Schanzenfestes fürchtet die Polizei, dass die Cyclassics wegen der Beteiligung des Sponsors Vattenfall an Atomkraftwerken von Demonstrationen begleitet werden könnten.
Quelle:
http://www.ndr.de/regional/hamburg/polizei1627.html

Aber wie habe ich das zu verstehen? Sind also dieses Jahr Wasserwerfer die offiziellen Begleitfahrzeuge der Cyclassics? Das verspricht dann ja in der Tat ein "heißes" Rennen zu werden ....

Freitag, 22. Juli 2011

Die Illusion zerplatzt ...

… daß es wenigstens in scheinbar renommierten, weil nach journalistischen Mindeststandards arbeitenden Zeitungen eine interne Kontrolle darüber gibt, ob Autoren einen recherchierten objektiven Beitrag nach journalistischen Regeln oder einfach ihre Privatmeinung veröffentlichen.
Ausgelöst hat dieses resignative Resume bei mir die ZEIT. Im Themenkomplex „Energie“ hat „DIE ZEIT“ leider ihre fachliche Kompetenz fast vollständig verloren, weil sie das Thema wiederholt Herrn Frank Drieschner als Autor überläßt. Herr Drieschner bezeichnet sich nach Eigenaussage als früher aktives Mitglied der Anti-AKW Bewegung. Was auch immer seine Abkehr aus dieser Bewegung ausgelöst hat: eine sachliche Auseinandersetzng mit dem Thema Atomausstieg, Energiewende und Klimaschutz gelingt ihm in seinen Artikeln wiederholt und nachweislich nicht (mehr).

Herausragendes Beispiel war bisher sein Artikel „Die Atom Lüge“ aus DIE ZEIT, 4.11.2010 Nr. 45.

Der Artikel zeichnete sich durch besondere Unkenntnis der heutigen Anti-AKW Bewegung aus und ignorierte bereits damals sämtliche Möglichkeiten, welche die regenerativen Energien heutzutage bieten. Eine entsprechende Replik gab damals Christiane Grefe in ihrem Kommentar „Von wegen Lüge“.

Jetzt hat Herr Drieschner in der ZEIT wieder zugeschlagen: „Die Illusion zerplatzt“ in der aktuellen Ausgabe 30/2011 auf Seite 7 (NACHTRAG 27.07: jetzt ist der Artikel HIER online). Die Unterschlagzeile des Artikels lautet: „Mit dem Atomausstieg riskiert Deutschland seine Klimaschutzziele“. Und schon legt Drieschner los:
„Die Energiewende ist beschlossen: Sie nimmt Gestalt an – aber sie wird anders aussehen, als Deutschlands Atomkraftgegener und eigentlich das ganze Land sie sich erträumt haben: ungemütlich, teurer, und, vor allem, verheerend für das Klima. Nicht Wind und Sonne allein werden den Strom von morgen erzeugen. […] Und es gibt eine erstaunliche Nachricht aus dem Bundeswirtschaftsministerium: Vom Jahr 2013 an „soll der erforderliche Neubau“ von Kohle- und Gaskraftwerken öffentlich gefördert werden – mit Geld aus dem Klimafonds.“

Der Autor suggeriert bereits mit diesen einleitenden Zeilen, als wäre die Anti-AKW Bewegung schuld daran, daß die Bundesregierung selbst trotz des beschlossenen Atomausstiegs nicht konsequent auf einen möglichst schnellen Umstieg der Erzeugung durch regenrative Energien setzt.

  1. „verheerend für ein Klima“ …. wie soll man als interessierter LeserIn mit dieser polemischen Aussage umgehen? Worin besteht denn jetzt und heute das „verheerende“ für das Klima, was direkt mit dem deutschen Atomausstieg zu tun hat? Ich sehe nur weit und breit Initiativen wie BUND, Robin Wood, NABU, Greenpeace, ausgestrahlt, die BI Lüchow-Dannenberg, Moorburgtrasse-stoppen usw. , die sich sämtlich für den Atomausstieg UND den Kohleausstieg einsetzen. Die regierende Politik (und SPD) ist es doch, die trotz besseren (allgemeinen) Wissens immer noch auf Kohlekraft und die Energiekonzerne als tragende Säule setzt.
  2. Was sich genau in dieser Aussage widerspiegelt: „Vom Jahr 2013 an „soll der erforderliche Neubau“ von Kohle- und Gaskraftwerken öffentlich gefördert werden – mit Geld aus dem Klimafonds.“
    Zu Ihrer Information, Herr Dreschner: das ist Regierungspolitik! Nicht die Politik und nicht der Wille der Anti-AKW Bewegung. Und das wissen Sie auch, da es in den letzten Tagen genug Pressemitteilungen obiger Initiativen gerade zu dieser Förderung gab. Drieschner schreibt dazu dann selbst lapidar ein paar Zeilen später:
    Entsprechend heftig sind die Reaktionen. Subventionen für Kohlestrom – das seien Nachrichten aus »Absurdistan«, schimpft BUND-Chef Hubert Weiger. Die Grünen und auch einige Sozialdemokraten sind nicht amüsiert.
Aber warum der BUND das sagt ... das schreibt Herr Drieschner nicht.

Auf dem Niveau geht es weiter …. eine ganze Seite in der gedruckten ZEIT: ganz viel Polemik, wenig Fakten, noch weniger Quellenangaben, und wenn, dann meistens aus dem Zusammenhang gerissen und verkürzt.
Ich stelle mir die grönemeiersche Frage: Was soll das?

Der Autor bietet ein Sammelsurium an Aussagen, die er zu einer Polemik zusammenzimmert. Einer Polemik gegen die Anti-AKW Bewegung. Das ist ja grundsätzlich auch ok, wir leben in einem Land mit freier Meinungsäußerung, und seitens eines bezahlten Lobbyisten der Atom-Konzerne erwarte ich auch entsprechendes „value for the money“. Aber: ist eine solche Polemik auf der Seite 7 der gedruckten ZEIT im Ressort „Politik“ seitens eines ZEIT Redakteurs richtig aufgehoben? Ich sage: nein. Dort erwarte ich einen fundierten recherchierten Artikel, der pro und contra abwägt und nicht die handelnden und verursachenden Personen verwechselt. Oder akzeptiert DIE ZEIT wissentlich einen Atomenergie-Lobbyisten als Redakteur bei sich? Dann sollten bitte in Zukunft Herrn Drieschners Artikel mit dem kleinen Wort "Werbung" gekennzeichnet werden.

Der letzte Absatz des Artikels lautet:
„Und der Klimaschutz? Seine ehrgeizigen Ziele kann Deutschland vergessen. Strom sparen, notfalls mit harten Einschnitten, das ist vermutlich das einzige, was nun noch hilft, wenigstens ein bisschen. Aber um damit rasch zu beginnen, muß sich das neue grüne Deutschland von der Illusion verabschieden, es habe der Welt mit seinem Atomausstieg einen Dienst erwiesen.“

Aha. Die Klimaschutzziele können wir also deswegen vergessen, weil aktuell 8 AKWs abgeschaltet wurden und ansonsten noch gar nichts passiert ist? Also weder ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gegangen ist noch der Bau neuer KoKW beschlossen wurde? (Am Rande: seit Fukushima werden bereits die Pläne für neue KoKW in Deutschland beerdigt, weil auch künftig unrentabel. Beispiel: Krefeld).
Und Deutschland ist bereits heute „ein grünes Deutschland“? Wer definiert das? Und wie definiert man das? Und was sagt es uns, wenn es „grün“ ist? Bisher bin ich (im Gegensatz zu Herrn Drieschner ziemlich „grün hinter den Ohren“) davon ausgegangen, daß „grün“ irgendetwas mit Umwelt- und Klimaschutz zu tun hat. Aber jetzt lerne ich durch Herrn Drieschner, daß genau dieses „grüne Deutschland“ das Weltklima bedroht! Ich wäre ja bereit umzudenken, Herr Drieschner, aber belegen müßten Sie Ihre Aussage schon, warum das jetzt so ist.
Und da Sie, Herr Drieschner, als letztes „vom Dienst erweisen“ sprechen: Sie erweisen sich, der schreibenden Zunft und der ZEIT einen Bärendienst, wenn Sie weiterhin auf diesem Niveau Artikel zum Thema „Energie“ verfassen. Denn damit verabschiedet sich DIE ZEIT als meinungsbildendes Medium aus einer der beherrschenden Diskussionen der kommenden Jahre.

Nachtrag: 28.07.
Es gibt jetzt auch eine fachliche Erwiderung auf den ZEIT-Artikel von Herrn Wieschner. Verfaßt hat diesen Joachim Nitsch. Herr Nitsch ist Hauptautor der sogenannten  Leitstudie des Bundesumweltministeriums, einer regelmäßig     fortgeschriebenen    Analyse     der     deutschen     Energiewirtschaft     unter Umweltgesichtspunkten.  
Auf die Erwiderung von Nitsch hat wiederum Wieschner geantwortet.
Nett sind seine einleitenden Worte:
Das   Schöne  an   seiner [Nitsch] Erwiderung   ist,  dass   sie   die  Debatte   weg  vom ungefähren Meinen in den Bereich der nachprüfbaren Tatsachen führt.
Schön, Herr Wieschner, dann wäre ja geklärt, daß Ihr Ausgangsartikel in der ZEIT tatsächlich nur eine billige schlecht recherchierte Polemik gegen den Atomausstieg war. Und leider geht Ihre Erwiderung auch nicht auf die Fakten ein, die Herr Nitsch in seinem Fachbeitrag aufzeigt.


P.S. Herr Drieschner wußte auch schon am 24.02. direkt nach der Wahl in HH, daß das neue (direkte) Hamburger Wahlrecht verantwortlich war für die geringe Wahlbeteiligung - da zu kompliziert. Blöd nur, daß eine Studie genau diesen Zusammenhang jetzt widerlegt hat. 

Dienstag, 19. Juli 2011

Wir brauchen eine Anti-Braunkohle-Bewegung!

So lautet die Überschrift über einem aufrüttelnden Kommentar auf der Seite von KLIMARETTER.info. Geschrieben hat ihn Gerald Neubauer, Mitorganisator des Internationalen Klimacamps 2011 im Rheinischen Braunkohlerevier und Betreiber des Blogs Braunkohleausstieg.org. Den gesamten Kommentar findest Du HIER.  

Hintergrund des Kommentars:

Nach dem Beschluss zum Atomausstieg entwickelt sich die Braunkohle zum größten Hindernis der Energiewende. Die Braunkohle ist mit 25 Prozent der wichtigste Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland.
Vattenfall mischt mit seinen Tagebauen und Braunkohlekraftwerken in der Lausitz bei dieser weltweit klimaschädlichsten Art der Energieerzeugung ganz vorne mit. Deshalb gibt es neben dem oben genannten Klimacamp in NRW auch das Klimacamp in der Lausitz (siehe rechts stehendes Banner). Wer sich alleine mal via Internet ein Bild davon macht, wie die Landschaft dort im Tagebaugebiet aussieht, kann erahnen, welche Emotionen bei den direkt vor Ort Betroffenen vorherrschen. 

 

Montag, 18. Juli 2011

Blumen statt Baustelle – ein Parkfest in Bildern

Blumen statt Baustelle – ein Parkfest in Bildern: "Der Suttnerblog schreibt: Blumen statt Baustelle – unter diesem Motto fand am Samstag das bisher größte Fest im Suttnerpark statt. Vat..."

Samstag, 9. Juli 2011

Gut, daß wir drüber gesprochen haben

Am Donnerstag wurde weitgehend unbeachtet im Bundestag über das Gesetz zur CCS-Einlagerung abgestimmt. Worum es dabei geht, hat stop greenwashing bereits hierkurz erwähnt und hier gibt es auch einen Filmbeitrag dazu.

Welche Auswirkungen hat das nun konkret auf Hamburg und das im Bau befindliche KoKW Hamburg? Theoretisch große, praktisch keine. Theroretisch groß, weil:

Diese Entscheidung hat auch für Hamburg nachhaltige Konsequenzen. Das Vattenfall-Kohlekraftwerk in Moorburg sollte mit der CCS-Technik ausgestattet werden. Mit dem Postcombustion-Verfahren sollte das CO2 in einer Rauchgaswäsche von den übrigen Emissionen getrennt werden. In einer entsprechenden Vereinbarung aus dem Jahr 2007 hatten sich der Energiekonzern und der Hamburger Senat darauf verständigt, die CCS-Technik nachzurüsten, sobald dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist.

So schreibt es das Abendblatt in einemArtikel am 8.7.2011.

Jetzt muß man wissen, wie diese Vereinbarung genau aussieht. Weiß Otto Normalwähler aber nicht, weil die Vereinbarung „streng geheim“ ist. Wer es aber weiß, sind die Damen und Herren bei Vattenfall. So sagte auch Hr. „Vattenfall“ Wasmuth sinngemäß zu diesem Thema auf einer Diskussionsveranstaltung vor zwei Wochen, bei welcher der Verfasser dieser Zeilen auch anwesend war: Ja, das wurde damals vereinbart, aber leider fördert die Politik diese Technik ja nicht (mit viel Fördergeld), deshalb können wir da auch nicht weiter forschen und deshalb kommt diese Technik für das KoKW Moorburg nicht in Betracht. Heißt übersetzt: „Weil uns die Politik diese Technik nicht auf dem Silbertablett serviert und auch nicht bereit ist, uns Geld zu bezahlen, daß wir sie einbauen (was wir ja nicht können, weil es sie nicht gibt), kümmert uns das im Augenblick auch nicht weiter und die Vereinbarung zum KoKW Moorburg ist eh wachsweich formuliert“. Danke für die Klarstellung, Herr Wasmuth. Nichts anderes sagt Vattenfall dann auch im üblichen Presse-Sprech:
"Wir stehen weiterhin zu dieser Vereinbarung", sagte Hamburgs Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier. Ohne rechtliche Grundlage für die Speicherung des Kohlendioxids sei es aber eher unwahrscheinlich, dass die geplante Anlage in Hamburg noch gebaut werde.

Womit wir in der Praxis angekommen wären. Denn außer dem Hamburger Abendblatt hat eh kein seit längerem mit dem Thema befaßter Mensch geglaubt, daß es beim KoKW Moorburg zur Nachrüstung mit der CCS-Technik käme, sollte das Kraftwerk ans Netz gehen.
Aber das Abendblatt ist von der Entwicklung völlig überrascht und schreibt:

Damit kommt auf den Hamburger Senat ein riesiges Problem zu. Wird das CO2, das beim Betrieb des sich im Bau befindlichen Kohlekraftwerks entsteht, nicht wie bisher geplant unterirdisch gelagert, sondern in die Atmosphäre abgegeben, wird es schwer für Hamburg, die gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. "Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen", sagte Senatssprecher Jörg Schmoll dem Abendblatt. So lange wolle der Senat mit einer Bewertung warten. Grundsätzlich hat sich Hamburg aber bereits für den Einsatz von CCS ausgesprochen.

stop-greenwashing sagt:“das riesige Problem“ wird sich in das auflösen, um das es geht: Rauch. Aber gut, daß wir mal drüber gesprochen haben.

P.S.: Mal abgesehen davon, daß die gesamte Kampagne um CCS hauptsächlich dem „greenwashing“ der Energiegewinnung aus Kohle dient.

Joffes Freunde und die Angst vor der "German Angst"

Josef Joffe ist einer der ZEIT-Herausgeber. Als dieser ergreift er wöchentlich sein Hoheitsrecht, der erlauchten Leserschaft der ZEIT (zu der regelmäßig auch der hiesige Schreiberling zählt)  die Welt in seiner persönlichen Kolumne zu erklären: "Achtung, Achtung, hier spricht Ihr Herausgeber!". Das ist selten erhellend, manchmal nett, oft oberlehrerhaft.

Vor vier Wochen ließ sich Joffe einmal mehr weltabgewand über die "German Angst" hinsichtlich der Atomenergie aus. Damals zuckte kurz meine Schreibhand, bevor ich mir stattdessen noch einen Kaffee einschüttete. Gut so. Denn Stefan Niggemeier hat Joffes Beitrag bereits hervorragend seziert.

Freitag, 8. Juli 2011

Kein Märchen: Aus für das KoKW Krefeld

Der Widerstand hat sich gelohnt. Die Gesellschafterversammlung der Trianel Kohlekraftwerk Krefeld Projektgesellschaft hat heute entschieden, die Planungen für das Steinkohlekraftwerk in Krefeld-Uerdingen offiziell zu beenden. Stattdessen soll nun ein klimafreundlicheres Gaskraftwerk gebaut werden.  
Hier der ganze Artikel auf Klimaretter.info.


Übrigens wird genau diese Variante (Ersatz von Kohleenergie durch ein Gaskraftwerk) auch in Hamburg von unabhängigen Wissenschaftlern und Umweltschutzverbänden gefordert: Ersatz des HKW Wedel nicht durch das KoKW Moorburg, sondern durch ein Gaskraftwerk mit KWK. Die beste Lösung wäre jedoch in Hamburg der Umbau des Fernwärmenetzes hin zu dezentraler Einspeisung (als Übergangslösung bis zur 100% Umstellung auf eine regenerative Wärmeversorgung).

Donnerstag, 7. Juli 2011

Das Märchen vom Wundermittel CO2-Verpressung

Wenn ein Wissenschaftler sagt: "Kohlendioxid-Speicherung macht wenig Sinn", dann heißt das in der Praxis: "Vergeßt den Blödsinn".

NDR.de hat mit Diplom-Wirtschaftsingenieur Johannes Herold von der TU Berlin über das Thema CO2-Abscheidung und deren Bedeutung gesprochen.

Samstag, 2. Juli 2011

„Verschlossene Auster“ 2011 geht an die vier Atomkonzerne RWE, EnBW, Vattenfall und EON

Ein Hoffungsschimmer am Horizont des deutschen Journalismus, der anscheinend doch noch in der Lage ist, die Lobbyarbeit der deutschen AKW-Betreiber als das darzustellen, was sie ist: Propaganda. Vom Hamburger Abendblatt sind wir da ja anderes gewöhnt. Die Journalistenvereinigung "Netzwerk Recherche" hat ihren für die AKW-Betreiber wenig schmeichelhaften Preis jedenfalls dieses Jahr an die 4 Atomkonzerne vergeben. Die Jury beginnt ihre Begründung mit den folgenden Worten:

Sie haben beschönigt, beeinflusst und verheimlicht. Sie haben einen massiven Lobbydruck ausgeübt, auch dann noch, als viele Bürger öffentlich protestierten: Die "Verschlossene Auster", der Negativ-Preis der Journalistenvereinigung netzwerks recherche e.V. für den „Informationsblockierer des Jahres“, geht 2011 an die vier großen Atomkonzerne RWE, EnBW, Vattenfall und E.ON. 
Das sagt eigentlich schon alles. Trotzdem lohnt es, die gesamte Begründung und die Laudatio seitens Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, zu lesen, weil dort nochmals deutlich wird, wie massiv die 4 Konzerne mit ihren Lügen (und leider sind es tatsächlich Lügen, nicht nur Halbwahrheiten) die öffentliche Meinung zu beeinflussen suchen.
HIER gibt es die Zusammenfassung, und HIER die (kurzweilige) Laudatio in voller Länge.

Und HIER gibt es die Gegenrede von  Guido Knott,Sprecher des E.ON-Konzerns. Auch sehr erhellend, wenn auch nicht neu: gute Rhetorik, wenig keine Substanz.