Neulich wurde mal wieder die arme
Sau Nachricht "Blackout für Hamburg" durch die Medien getrieben.
Es fing an mit der SHZ: "
Netzbetreiber warnt vor Blackout im Norden" am 18.1.2012, und natürlich zog dann mit der üblichen Verspätung auch das Vattenfall-Sprachrohr "Hamburger Abendblatt" nach:
27.1.:
Netzagentur besorgt über Verzug bei Kraftwerk Moorburg
und damit es wirklich alle Abendblatt-Leser verstehen:
31.1.:
Winterwetter erhöht die Gefahr eines Blackouts für Hamburg
Weitere Medien wie die
FTD, etc. folgten dann mal wieder dem Herdentrieb.
Das Problem:
primär haben es die jeweiligen Autoren der Artikel nicht verstanden, um was es bei dem Szenario für und um Hamburg geht. Oder sie möchten es nicht verstehen.
Oder sie möchten nicht, daß die LeserInnen bzw. die Allgemeinheit versteht, um was es geht.
Worum es geht?
Jedenfalls nicht um einen "drohenden" Blackout.
Das Märchen des drohenden Blackouts läßt sich nach diesem Winter nämlich nur noch im kleinen Kreise der Energiemanager der Großkonzerne intern erzählen ... denn während wir aktuell auch bei den zweistelligen Minusgraden massiv Strom ins Atomland Frankreich exportieren (und dort trotzdem Mangel herrscht) ,
brauchen wir in Deutschland nicht mal unsere Reserverkapazitäten anwerfen.
Nein, es geht um die "Rettung" einiger fossiler Kohlekraftwerke im Norden und die Absicherung der Investionen der 4 "Großen" in ihre Offshore-Aktivitäten durch die sog. "Windsammelschiene".
Das Problem:
Doch die [Fertigstellung der Windsaamelschiene] scheitert bisher daran, dass zwischen dem lauenburgischen Dorf
Elmenhorst und Schleswig-Holsteins Landesgrenze zu
Mecklenburg-Vorpommern noch eine 19 Kilometer lange Lücke im
norddeutschen Höchstspannungsnetz klafft. Die will 50 Hertz zwar schon
seit neun Jahren schließen - doch ein Streit mit dem Kieler
Wirtschaftsministerium um Ausgleichsmaßnahmen für zu fällende Bäume
verhindert das bisher.
Was ist die sog. "Stromsammelschiene"?
Die so genannte "Windsammelschiene" ist erforderlich, um den überwiegend
durch Windkraft erzeugten Strom von der verbrauchsschwachen
Küstenregion zu verbrauchsstarken Regionen im Landesinneren
abzutransportieren. Damit ermöglichen wir den weiteren Ausbau der
Windkraft an Land und auf See. Quelle: 50hertz
Ok, hört sich gut und vor allen Dingen wichtig für die Energiewende an. Windstrom ... sauber, sauber.
Nun ja, lesen wir noch mal hier
im Artikel der SHZ:
Zitat:
Der Grund für die Gefahr liege darin, dass im Norden nur noch ein
Großkraftwerk Strom liefert - der Atommeiler in Brokdorf. Das neue
Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg wird erst 2014 fertig. "Sollte
Brokdorf in einer Kälteperiode ausfallen und außerdem kaum Windstrom ins
Netz eingespeist werden, droht der Blackout", sagte Kamm. Betroffen
wären neben den 1,8 Millionen Hamburgern auch fast eine Million Menschen
in den umliegenden Kreisen Schleswig-Holsteins und Niedersachsens - von
Pinneberg über Stormarn und Lüneburg bis ins Alte Land.
Ah ... eine "Windsammelschiene" als "Rettung" für Hamburg & Umland für genau die Situation, wenn wenig Wind weht?
Ähhhh ... ja, klar.
Aber obwohl der Autor der SHZ, Henning Baethge, anscheinend nicht weiter diesem offensichtlichen Widerspruch nachgeforscht hat, schreibt er die Wahrheit unwissentlich direkt daneben:
Entspannter sähe die Situation aus, wenn Hamburg an die
mecklenburg-vorpommerschen Kraftwerke in Rostock oder Lubmin
angeschlossen wäre, sagte Kamm: "Dann hätte man eine permanente
Verbindung zu einer Grundlastversorgung aus dem Osten."
Jetzt schauen wir mal auf die Netzkarte:
http://www.umweltbundesamt.de/energie/archiv/kraftwerkskarte.pdf
und sehen: in Lubmin gibt es noch gar kein KW, dort gibt es bisher nur Planungen für mehrere umstrittene Gaskraftwerke (
siehe dazu ein Positionspapier des BUND , das stichhaltige Argumente gegen diesen Standort liefert).
Übrigens: es sind die Unternehmen E.ON und ENBW, die in Lubmin KWs bauen wollen ....
Rostock: 15 Jahre altes KoKW, ist wegen EEG Einspeisung immer öfter vom Netz und wird gerade aus dem Markt gedrängt.
Wörtlich heißt es beim Betreiber : "Als Mittellastkraftwerk arbeitet das KW nicht kontinuirlich."
Übrigens:
Betreiber des KoKW in Rostock sind ENBW und RheinEnergie, also fossile Schwergewichte.
Kurze Zusammenfassung:
- laut Nachrichten soll die "Windstromtrasse" für Zeiten ohne Wind dienen
- zur Sicherheit = Grundlast sollen ein/mehrere Gaskraftwerke dienen, die noch gar nicht gebaut sind und ein KoKW, daß überhaupt nicht für Grundlast ausgelegt ist (weil es den entsprechenden Bedarf am Standort Rostock nicht gibt)
Liebe Journalisten-Kollegen, für diese Informationen braucht ihr keine V-Leute bei den Energiekonzernen oder den Netzbetreibern. Das kann man alles mit ein wenig Recherche-Arbeit erfahren.
Aber was ist jetzt das entscheidende an der ganzen Sache?
Die letzten 19 km dieser sog,. "Windsammelschiene" laufen u.a. durch den
Sachsenwald. Das gesamte Tal der Bille ist
Naturschutzgebiet und als
FFH-Gebiet gemeldet.
Deshalb ist es auch genau abzuwägen, wofür man Eingriffe in solches Naturschutzgebiet zuläßt - und wem es nutzt. Außerdem gibt es auch in
Pinneberg, Quickborn und anderen Orten massive Bedenken gegen den Bau einer 380 kv Freileitung (wobei es dort um eine andere Stromschiene geht).
Dieser Protest soll nach bewährter Manier durch solche unreflektierten Artikel diskreditiert werden von wegen Verhinderung der Energiewende.
Wie hieß es dazu in der oben genannten Meldung der SWZ:
[...], doch ein Streit mit dem Kieler
Wirtschaftsministerium um Ausgleichsmaßnahmen für zu fällende Bäume
verhindert das bisher.
Am Rande: die Begründung, das alles nur wegen eines möglichen Ausfalls des AKW Brokdorf zeigt den bisherigen Irrsinn: da könnte (!) also ein AKW ausfallen, also braucht man massive Reservekapazitäten (und früher waren das die anderen AKWs). Tja, das ist das Risiko bei zentralistischen Strukturen. Wie entspannt lebte es sich doch, hätten wir schon seit Jahren den dezentralen Ausbau vorangetrieben – und würden ihn auch jetzt fördern anstatt Millionen in Übertragungsnetze zu investieren, die zumindest wie dieses nur alten zentralen Strukturen dienen.
Vorschlag:
anstatt die ca. 30 Millionen in die letzten 19 km zu investieren, um damit fossile Kraftwerke wie in Lubmin künstlich und auf Kosten der Allgemeinheit zum Leben zu erwecken oder wie in Rostock am Leben zu erhalten oder wie das künftige KoKW in Moorburg eine letzte Chance zu geben, sollte man besser damit den Ausbau von BHKWs mit KWK in Hamburg und Umland fördern.