Sonntag, 15. November 2015

Nicht immer sind die wichtigsten Antworten auch die richtigsten ...

Auch gute Journalisten haben mal schlechte Tage. Wie Jakob Schlandt, als er seinen Artikel "Die wichtigsten Antworten zum Ausstieg aus der Braunkohle" verfaßte.

Gut, der Begriff "wichtig" ist subjektiv auszulegen: was dem einen wichtig erscheint, ist dem anderen total egal.
Jedoch erscheint es uns doch nicht ganz unwichtig, daß es bei der aktuellen Vereinbarung zwischen Gabriel und seinen Kohlefreunden zumindest faktisch nicht um den Ausstieg aus der Braunkohle geht.
Grund:
> es geht nur um eine klitzekleine Kapazität für die Stilllegung von 2700 MW el.
> zum Vergleich: das Braunkohle-KW in Neurath hat alleine 4400 MW el Leistung ...
> zur Info: Summe installierte Leistung an Braunkohle-Kraftwerke in D: ca. 21.400 MW

Diese Info hätte man durchaus in einem Artikel mit den "wichtigsten Antworten" von einem Fachjournalisten wie Schlandt erwarten können. Aber ließe sich dies noch verschmerzen, ist eine andere Aussage von Schlandt durchaus kritischer zu sehen. Denn schon in der Subline schreibt Schlandt:
"Viele Braunkohle- und alle Atomkraftwerke gehen in den nächsten Jahren vom Netz. Die Unsicherheit für das Stromnetz steigt deshalb."

Das mit der Unsicherheit versucht Schlandt dann im Text mit vermeintlichen Expertenaussagen zu unterstreichen. So wird u.a. Felix Matthes vom Öko-Institut zitiert:
 Felix Matthes ist ebenfalls skeptisch: "Es könnte nach dem Abschalten der Braunkohle-, vor allem aber der Kernkraftwerke durchaus eng werden bei der Stromerzeugung. Die Politik hat sich zu Experiment mit ungewissem Ausgang entschieden."
Matthes wäre sicherlich verwundert, wüßte er von seinem Satz in diesem Kontext. Denn mitnichten sieht das Öko-Institut die Abschaltung von Braunkohle- oder Atomkraftwerken kritisch für die Stromversorgung. Kritisch sieht das Öko-Institut es nur, wenn der Staat gleichzeitig den weiteren Ausbau von EE-Kapazitäten und flexiblen Gaskraftwerken abwürgt (wie es aktuell passiert). Ohne dieses Wissen muß man jedoch das Zitat von Matthes an dieser Stelle falsch verstehen.

Auch das Fazit von Schlandt ist mindestens mißverständlich. Schlandt schreibt:
Welche Kraftwerke ersetzen die vom Netz gehenden Braunkohle-Anlagen?
Die erneuerbaren Energien sind außen vor, denn sie werden unabhängig vom Stromgroßhandel über das Erneuerbare-Energie-Gesetz gefördert. Am Strommarkt werden vom allem Steinkohlekraftwerke davon profitieren, dass die alten Braunkohleblöcke vom Netz gehen. Sie sind die günstigsten Kraftwerke, die die Lücke (sic!) decken können und werden deshalb einspringen, [...]
Das ist so nicht richtig. Richtig ist an dieser Stelle: Die paar Braunkohleblöcke, die Siggi den Energieversorgern mit dem Geld der Steuerzahler jetzt abkauft, werden überhaupt nicht ersetzt. Weder von EE noch von konventionellen Kraftwerken. Denn es gibt überhaupt keine Lücke. Die Kapazität lief bisher am Markt vereinfacht gesagt einfach mit und sorgt(e) u.a. an bestimmten Tagen für die berüchtigten Überkapazitäten im Stromnetz. Insofern ist es auch näher an den Tatsachen, daß die Abschaltung der Braunkohle-Blöcke für mehr Netzstabilität sorgen wird.

Wie gesagt: auch Blogger wie Jakob Schlandt haben schlechte Tage. Daß er es besser kann, zeigt er regelmäßig als Herausgeber unter http://phasenpruefer.info. So soll die kleine Kritik hier ein Ansporn sein für künftige Antworten.

1 Kommentar:

  1. Danke dafür, den Artikel mit einem Lob zu beginnen und zu beenden und sonst sachlich zu bleiben. Sehr fair! Da ist man natürlich auch als Gescholtener gerne bereit, Stellung zu nehmen. Und da möchte ich die Kritik guten Gewissens ein bisschen zurechtrücken. Ich fange mal von oben an:
    - Sie schreiben, in dem Artikel würde der Kontext der Größenordnung der Stilllegungen nicht erwähnt. Ich zitiere:
    "Jedoch erscheint es uns doch nicht ganz unwichtig, daß es bei der aktuellen Vereinbarung zwischen Gabriel und seinen Kohlefreunden zumindest faktisch nicht um den Ausstieg aus der Braunkohle geht.
    Grund:
    > es geht nur um eine klitzekleine Kapazität für die Stilllegung von 2700 MW el.
    > zum Vergleich: das Braunkohle-KW in Neurath hat alleine 4400 MW el Leistung ...
    > zur Info: Summe installierte Leistung an Braunkohle-Kraftwerke in D: ca. 21.400 MW"

    Meine Antwort dazu: Sie müssen in dem Artikel überlesen haben, dass ich die Größenordnung und das Verhältnis zur bestehenden Braunkohleleistung sehr wohl nenne. Ich zitiere wörtlich aus dem Artikel: "Der neuesten Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur zufolge sind derzeit Braunkohle-Anlagen mit einer Leistung von knapp 21.000 Megawatt in Betrieb. Immerhin 13 Prozent dieser Kraftwerke werden vom Netz gehen und in die Reserve überführt." Der Artikel beginnt ja schon mit folgendem Satz: "Nach dem Atomausstieg kommt nun der Ausstieg aus der Braunkohle – zumindest zum Teil." Ob das nun ein "klitzekleiner" Anteil, wie sie schreiben oder ein nicht unerheblicher Anteil ist, wollte ich in diesem dem Leser nicht vorgeben. Meiner ganz persönlichen Meinung nach ist es genau in der Mitte, also nicht riesig, aber auch nicht unerheblich.

    Zum zweiten Kritikpunkt: Das Zitat von Felix Matthes ist autorisiert und enthält selbst den Kontext, nämlich die Abschaltung von Braunkohle- und Kernkraftwerken. Der Artikel hat in diesem Bereich längst die Frage verlassen, wie sich die Abschaltung allein der Braunkohlekraftwerke auswirkt, sondern beschäftigt sich allgemein mit den Erzeugungskapazitäten in der Zukunft und der Frage, ob der sogenannte Energy-Only-Markt tatsächlich Kraftwerksneubauten in ausreichendem Maße anreizt. In diesem Kontext ist natürlich auch klar, warum Felix Matthes von einem Experiment mit ungewissem Ausgang spricht. Er setzt sich für einen sogenannten fokussierten Kapazitätsmarkt ein, der besonders umweltfreundliche Kapazitäten belohnt. Bitte haben sie Verständnis dafür, dass sich dieser fachlich komplexe Hintergrund in einem Tageszeitungsartikel leider nicht erläutern lässt, allein schon aus Platzgründen. Ich denke aber, der Kontext ist ausreichend. Er wird ja auch im Artikel schon durch den Vorredner, Herrn Götz, gestellt, der von Preisschwankungen im Großhandel spricht und der Frage, ob ausreichend investiert wird.

    Nun zu ihrem letzten Punkt. Hier ging es mir allein um die Darstellung der Effekte der Abschaltung auf die sogenannte Merit Order, auch das ein Fachbegriff, den man beim Schreiben für eine Tageszeitung leider vermeiden muss. Bei diesem Punkt nehme ich die Kritik gerne an. So verkürzt, wie es in dem Text dargestellt ist, ist es für die Leser tatsächlich etwas missverständlich. Natürlich werden die Braunkohlekraftwerke mittel- und langfristig auch durch den Zubau an erneuerbaren Energien ersetzt. Unmittelbar vom Wegfall der Braunkohlekraftwerke profitieren aber am Strommarkt in erster Linie die Steinkohlekraftwerke. Diesen Effekt konnte man übrigens auch schon beim Teilausstieg aus der Kernkraft 2011 beobachten. Die nächsten Kraftwerke in der Merit Order profitierten am stärksten, das war die Braunkohle.

    Fazit: Punkt eins und zwei weise ich klar zurück, bei Punkt drei hätte ich etwas weniger missverständlich formulieren sollen. Danke für den Hinweis!

    Beste Grüße,

    Jakob Schlandt

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