Donnerstag, 5. Januar 2012

Guter Journalismus ist Glückssache

... vor allem, wenn es bei der Zeitung "Die Welt" um das Thema Energie geht. Daniel Wetzel versucht sich wiederholt an dem Thema und hat mit seinem neuesten "Artikel" mal wieder eine Bauchlandung hingelegt. Titel seines Machwerks für die Atom-Lobby lautet: "Die Stromversorgung in Deutschland ist Glückssache".

Aufhänger seiner "Story" ist die Tatsache, daß der dt. Netzbetreiber Tennet am 8.u.9.12.2011 sog. Reserverkapazitäten aus Österreich angefordert hat, um die Netzauslastung in Süddeutschland zu stabilisieren.
Konkret: es herrschte kein Energiemangel in Deutschland. Sondern der Netzbetreiber Tennet hat aus Sicherheitsgründen regional in Süddeutschland zusätzliche Reservekapazitäten in Betrieb genommen, und zwar die geographisch sinnvollsten. Und diese stehen in Österreich.
Dazu muß man wissen (bzw. sollte Wetzel wissen und es mitteilen, wenn man als Journalist darüber berichtet):
gerade das österreichische und deutsche Stromnetz sind eng verzahnt.


Über den Vorgang berichtete übrigens das österreichische Wirtschaftsblatt bereits am 15.12.2011 in einem sachlichen unaufgeregten Artikel. 

Zitat:
Die beiden österreichischen Versorger haben [im September] angesichts des deutschen Atomausstiegs mit der Bundesnetzagentur eine Vereinbarung zur Bereithaltung von thermischen Reservekapazitäten abgeschlossen. [...] Am Donnerstag und Freitag vergangener Woche wurden nun erstmals fallweise Kapazitäten in Anspruch genommen.

Bei Wetzel liest sich das dann so:
Trotz des bislang recht milden Winters waren die Netzbetreiber zeitweise sogar gezwungen, auf eine Notreserve an Kraftwerken zurückzugreifen, die von der Bundesnetzagentur erst kürzlich in Österreich aufgetrieben (sic!) worden war. Die größte Industrienation Europas hat unter ihrer Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten schon viel gelitten. Jetzt ist sie auch in der Stromversorgung nicht mehr autark.

So einen Schwachsinn lasse ich mir genüßlich auf der Zunge zergehen ... um dann einmal kräftig auszuspucken.

1. Diese "Notreserven" wurden nicht "kürzlich aufgetrieben", sondern wurden ganz normal bereits im Sommer im paneuropäischen Strommarkt vereinbart. Viele Medien haben darüber auch berichtet, siehe z.B. hier.

2. in einem liberalisierten paneuropäischen Stromnetz, in dem seit Jahren über nationale Grenzen hinweg jedes Land fallweise (und vor allem nach Marktlage) Strom ex- und importiert, von nationaler Autarkie zu sprechen und diese in den Zusammenhang mit der Energiewende zu setzen, ist ziemlich irre

3. Was war denn nun am 8.u. 9.12 tatsächlich passiert?
Der Spiegel berichtet darüber in einem dankenswert ausführlich und gut recherchierten Artikel.
Zitat: Also kam es am 8. und 9. Dezember zu der grotesken Situation, dass norddeutscher Windstrom ins südeuropäische Ausland exportiert wurde - und Deutschland gleichzeitig Strom aus österreichischen Gas- und Ölkraftwerken importieren musste.
Ursache:
Das Problem sind überlastete Leitungen. Vor allem im Süden Deutschlands haben sich viele stromintensive Industrien angesiedelt; die Windräder aber stehen größtenteils im Norden. Anfang Dezember gab es also ein Stromüberangebot an der Küste, im Süden gab es zu wenig Strom.

Schuld ist also der seit vielen Jahren von den großen Energieerzeugern verschleppte Ausbau der Überlandübertragungsnetze. Die Diskussion über den Ausbau ist überhaupt erst in Gang gekommen, seitdem das Kartellamt vor einigen Jahren die großen "4" gezwungen hat, sich von den Netzen zu trennen. Seitdem streben die Netzbetreiber wie Tennet den Ausbau an und es kommt Bewegung in das Thema.

Mit der Energiewende im engeren Sinne hat das also herzlich wenig zu tun. Aber natürlich macht sich das auch nicht so gut, wenn es darum geht, einen Artikel pro Atom zu verfassen.
Bei Wetzel findet man zum Thema "Netzausbau" deshalb auch: kein einziges Wort.

Wie gesagt: Guter Journalismus ist Glückssache


P.S.: Schmankerl am Rande:
durch die Kapazitäten aus Österreich konnte mal eben auch ein deutsches AKW ersetzt werden. Denn:
 Anfang Dezember war dann auch noch der Block C des bayerischen Atomkraftwerks Gundremmingen abgeschaltet, weil er überraschend gewartet werden musste. 

Also es herrschte genau das "Schreckensszenario", das alle "pro Atom Lobbyisten" seit Monaten an die Wand malten: Energiewende + 1 weiteres abgeschaltetes AKW + Winter + ....
... und was passierte? Nichts. Man hat einfach vorhandene Kapazitäten sinnvoll genutzt.
Das wäre eigentlich nochmal eine Nachricht wert.




P.S: Noch mehr Fakten zum Geschehen am 8./9.12. hat die DUH zusammengetragen und ausgewertet.

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