Donnerstag, 20. Oktober 2011

Rechenstunde mit Daniela Stürmlinger

Die Pressefrau von Vattenfall Abendblattredakteurin Daniela Stürmlinger hat sich mal wieder am Thema Energiewende versucht. stop-greenwashing Lesern ist Frau Stürmlinger bereits aus ihrer Liebeserklärung an Kohlaf und Vattenfall bekannt. Übertitelt ist der Artikel, der den Anschein macht, direkt von Vattenfall bezahlt worden zu sein, mit "Ausstieg aus Atomkraft - Energiewende macht Strom 30 Prozent teurer".
Dann rechnen wir doch mal nach, wie Frau Stürmlinger auf 30% kommt:
Stürmlinger: "Bis 2020 erwarten wir, dass die Stromrechnung für die Verbraucher um 30 Prozent höher ausfällt als heutzutage, sagte Tuomo Hatakka, Chef von Vattenfall Deutschland."
Ah, also sprechen wir hier von einer persönlichen tendenziösen Einschätzung einer einzelnen Person für die nächsten 10 Jahre. Ob Herr Hatakka bei seiner Einschätzung Frau Stürmlinger aus der Hand las oder in seine Glaskugel guckte, ist mir leider nicht bekannt.

Stürmlinger: "Mit der Energiewende soll die Erzeugung von mehr Strom aus regenerativen Energien von den Verbrauchern subventioniert werden."
Schuld an dieser möglicherweisen Steigerung ist also mal wieder die böse, böse Energiewende. Ok, setzen wir dieser Meinungsmache mal harte Fakten entgegen:

"Für Strom müssen die Verbraucher laut Studie heute etwa 40 Prozent mehr bezahlen als 1998. Der Gaspreis habe sich seither fast verdoppelt. Noch stärker seien die Preise für Erdölprodukte gestiegen: Heizöl koste heute dreimal so viel wie 1998 und der Preis für einen Liter Kraftstoff habe sich verdoppelt. In diesen Preissteigerungen seien auch die Effekte aus der Ökosteuer und der Mehrwertsteuererhöhung enthalten."

Das Zitat stammt nicht aus dem Text von Frau Stürmlinger, sondern aus einer Studie der Postbank aus dem Jahre 2008. Der Zeitraum 1998-2008 war die Glanzzeit der fossilen Energie: AKWs und KoKWs, wohin das Auge blickte. Und trotzdem als Fakt hatten wir eine Kostensteigerung 40% innerhalb von 10 Jahren. Erwähnenswert für Frau Stürmlinger im Vergleich zur "Prophezeiung" von Herrn Hatakka: mitnichten.

Zurück zu Frau Stürmlinger, denn jetzt wird es konkret:

"Die nächste Tariferhöhung könnte bereits zum Jahreswechsel erfolgen. Dann steigt die Umlage für die gesetzlich vorgeschriebene Förderung erneuerbarer Energien um 0,06 auf 3,592 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom. Diese Mehrkosten dürfen die Konzerne an ihre Kunden weitergeben."
 Nun rechnen wir doch mal nach: 0,06 cent (diese Maßeinheit hat Frau Stürmlinger uns verschwiegen) von 3,53 cent (der bisherigen EEG-Umlage) sind  ... rechne, rechne ....... machen 1,7% Steigerung! Hölle und Verdammnis! Spannt die Rettungsschirme auf. 1,7%!!!!! WER SOLL DAS BEZAHLEN?! Kurz bevor ich mein Büßerhemd stellvertretend für Frau Stürmlinger zerreiße, erreicht mich diese Pressemitteilung des BMU:
"Nach Angaben der vier Übertragungsnetzbetreiber wird sich die EEG-Umlage für 2012 mit 3,59 Cent/Kilowattstunde (ct/kWh) gegenüber dem heutigen Wert von 3,53 ct/kWh kaum verändern. Für einen durchschnittlichen 4 Personen-Haushalt bei einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden pro Jahr bedeutet dies lediglich Mehrkosten von weniger als 18 Cent pro Monat!"
Ich weiß zwar heute noch nicht wie ich die 18 cent x 12 = 2,16 Euro im Jahr zusammenschnorren soll, aber es wird schon irgendwie gehen. Aber wie kommt dann Frau Stürmlinger auf 30%?
Ah, es kommen noch mehr Kosten auf uns alle zu:

Stürmlinger: "Hinzu kommen laut Hatakka weitere Belastungen. "Allein die steigenden Netzentgelte zum Jahreswechsel, die Umlage für Ökostrom und die Steuer darauf führen zu einem Kostenanstieg um mehrere Prozent." 

 Netzentgelte, Netzentgelte ... da war doch gerade etwas in der Presse, u.a. in der Berliner Zeitung:

"Die deutschen Strom- und Gaskunden müssen zum Jahreswechsel mit deutlichen Preissteigerungen rechnen, weil die Bundesregierung es versäumt hat, eine Rechtslücke zu schließen. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Juni dieses Jahres ermöglicht es nach Informationen der Berliner Zeitung den Betreibern der Strom- und Gasnetze, ab Anfang kommenden Jahres zusätzlich bis zu zwei Milliarden Euro von den Energiekunden zu kassieren."

Und weiter schreibt die Berliner Zeitung:
"In Reaktion auf das Urteil haben am Wochenende zahlreiche Netzbetreiber in Deutschland drastische Preiserhöhungen angekündigt, die in der Regel an die Endkunden weitergereicht werden. Netzbetreiber sind Großkonzerne, aber auch kleine Stadtwerke, die örtliche Verteilnetze betreiben. In Berlin erhöht Vattenfall die Netzentgelte um rund 0,5 Cent pro Kilowattstunde, dies müssen auch Kunden anderer Anbieter bezahlen."

Ein Wort davon bei Frau Stürmlinger, daß die Stromnetzbetreiber wie z.B. Vattenfall hier eine Gesetzeslücke sofort nutzen, um abzukassieren? Fehlanzeige.
Zum Vergleich:
Steigerung der EEG-Umlage: 0,06 cent
Steigerung der Netzentgelte durch Vattenfall in Berlin: 0,5 cent
Aber schuld haben immer die anderen  hat stets die böse böse EEG Umlage.

Bei Frau Stürmlinger heißt es weiter nebulös:

"Wird dieser Trend auch von den anderen Netzbetreibern aufgenommen, erhöht sich der Endpreis um weitere 17 Euro jährlich. Die Strompreise für private Verbraucher in Deutschland steigen damit 2012 im zwölften Jahr in Folge", sagt Peter Reese, Leiter des Energiewirtschaftsressorts bei Verivox. 

Richtig, sie steigen im 12. Jahr in Folge, aber nicht wegen der Energiewende, die gibt es nämlich erst seit diesem Jahr. 

Kommen wir zum letzten Argument Vattenfalls Frau Stürmlingers:
"Auch die deutsche Industrie wird künftig bei der Stromversorgung stärker zur Kasse gebeten. Vor allem Großverbraucher wie Stahl- oder Aluminiumproduzenten, die auch in Hamburg Werke unterhalten, fürchten, dass sie durch höhere Kosten nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren können."
Das ist die Märchenstunde von Frau Stürmlinger. Die Realität lautet:
TAZ: "Deutsche Stromkunden werden im nächsten Jahr belastet, weil in den Gesetzen zur Energiewende Privilegien für Teile der Industrie eingebaut worden sind.(...) Einige besonders energieintensive Industrien waren in der Vergangenheit teilweise davon befreit, mit gutem Grund: Stahlhütten zum Beispiel drosseln ihre Produktion, wenn gerade besonders viel Verbrauch herrscht, um die Netze gezielt zu entlasten. Das Paradoxe: Im neuen Gesetz werden alle Industrien komplett von den Netzentgelten befreit, wenn sie nur genug Energie verbrauchen und pro Jahr mindestens 7.000 Stunden Strom ziehen. "

Resümee:
Für einen Lobbytext von Vattenfall wäre der Text nicht schlecht, jedoch billig und durchschaubar - für einen Bericht in einer Tageszeitung ein unterirdischer Beitrag zur Debatte. Ich wünschte mir, der Wind der Energiewende würde manche Redakteure aus ihren Sesseln wehen.

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